Die EN 50600 ist eine europäische Norm für Rechenzentren und definiert umfassende Anforderungen an Planung, Bau und Betrieb. Dazu gehören Baukonstruktion, Stromversorgung, Klimatisierung, Verkabelung, Sicherheitssysteme, Verfügbarkeitsklassen und Kennzahlen. Die EN 50600 wurde 2011 von der europäischen Normungsorganisation CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) vorgelegt. Die ersten Teile wurden dann 2012 veröffentlicht, danach folgten immer wieder Ergänzungen und Weiterentwicklungen. Dazu zählt auch der vierte Teil der EN 50600, der Kennzahlen für Rechenzentren hinsichtlich Energieeffizienz und Emissionen definiert.
Das Kennzahlensystem aus der EN 50600 erleichtert den Vergleich von Nachhaltigkeitsaspekten und fördert die Verbreitung effizienter Infrastrukturen. Bei der Betrachtung der Kennzahlen des vierten Teils sollten zur besseren Vergleichbarkeit auch die im zweiten Teil der EN 50600 geforderten Redundanzen bei der Stromversorgung und -verteilung entsprechend der unterschiedlichen Verfügbarkeitsklassen berücksichtigt werden. Im Einzelnen betrachten die Kennzahlen alle entscheidenden Aspekte des Rechenzentrumsbetriebs. Im Jahr 2018 wurden die Inhalte der europäischen EN 50600 zusammen mit den Inhalten der ISO 30134 in die neue internationale Norm ISO/IEC 22237 integriert.
Wie die Kennzahlen gemessen und berechnet werden und welche Zielwerte im grünen Bereich liegen, zeigen die folgenden Abschnitte. Den Ausgangspunkt für die Bewertung der Effizienz eines Rechenzentrums bildet der Energieverbrauch, der zum einen von der installierten IT-Leistung und zum anderen von Infrastrukturkomponenten wie Kühlung und USV abhängt.
1. Power Usage Effectiveness (PUE)
Als Erstes wird in der EN 50600-4-2 die bekannte Kennzahl Power Usage Effectiveness (PUE) aufgeführt. Der PUE wurde bereits 2007 von The Green Grid entwickelt und vergleicht den Gesamtenergieverbrauch des Rechenzentrums mit dem Energieverbrauch der IT-Geräte. Der ideale PUE wäre 1,0, was bedeutet, dass der gesamte Energieverbrauch ausschließlich durch die IT-Komponenten verursacht wird. Der PUE wird wie folgt berechnet:
PUE = Gesamte Energiezufuhr (kWh) / IT-Energieverbrauch (kWh)
Bei der Messung des PUE gibt es mehrere Kategorien, die unterschiedlichen Messpunkten entsprechen. Die Kategorie-Nummer wird bei Angabe des PUE als tiefgestellte Zahl angehängt, z.B. PUE1 für eine Messung nach Kategorie 1. Kategorie 1 erfasst den Energieverbrauch des gesamten Rechenzentrums am Eingangs-Zähler und die IT-Geräte-Last nach der USV in kWh. Kategorie 2 erfasst den IT-Verbrauch am Ausgang der PDU, während Kategorie 3 den IT-Verbrauch direkt am Eingang des Servers erfasst und somit als genaueste Variante gilt, da Verluste auf dem Weg zu den Servern dem Gesamtverbrauch zugeschrieben werden können.
Es reicht aber nicht aus, nur den Energieverbrauch an sich zu betrachten. Genauso wichtig für einen nachhaltigen Betrieb des Rechenzentrums ist es, einen Strommix mit möglichst hohem Anteil an erneuerbaren Energien zu haben.
2. Renewable Energy Factor (REF)
Die nächste, in der EN 50600-4-3 definierte Kennzahl ist der Renewable Energy Factor (REF). Er stellt den erneuerbaren Anteil am Energieverbrauch des Rechenzentrums dar und wird mit folgender Formel berechnet:
REF = ERen (kWh) / ERZ (kWh)
Der Anteil an erneuerbarer Energie (ERen) darf aus drei Quellen stammen:
- vom Stromanbieter ausgewiesener Anteil an erneuerbarer Energie (EE-Faktor * bezogene Energiemenge in kWh)
- selbst erzeugte erneuerbare Energie (Gesamtmenge in kWh, wenn diese im RZ genutzt wird und den Verbrauch des RZ nicht überschreitet)
- durch den direkten Kauf von Grünstromzertifikaten erworbene Nachweise (erworbene Menge in kWh)
Diese Energiemengen werden zum Gesamtwert ERen zusammengefasst. Der ideale Wert für den REF wäre 1, was bedeutet, dass der gesamte Energiebedarf des RZ mit erneuerbaren Energien abgedeckt wird.
Um kommenden gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, darf die eingesetzte Energie nicht nur als Abwärme aus dem RZ geleitet werden, sondern muss anteilig einer weiteren Nutzung (Beheizung von benachbarten Räumlichkeiten, Einspeisung in Wärmenetze) zugeführt werden.
3. Energy Reuse Factor (ERF)
In der EN 50600-4-6 wird mit dem Energie Reuse Factor (ERF) eine weitere Kennzahl definiert, die den Anteil der im Rechenzentrum genutzten Energie darstellt, die einer Wiederverwendung zugeführt wird. Die wiederverwendete Energie zur Berechnung des ERF darf aber nicht direkt im Rechenzentrum genutzt werden, sondern nur in klar davon abgegrenzten Bereichen, beispielsweise in einem angrenzenden, aber nicht in der Bilanz des Rechenzentrums erfassten Bürogebäude. Der ERF wird wie folgt berechnet:
ERF = EReuse (kWh) / EIT (kWh)
EIT ist der Energieverbrauch, der an den PDUs gemessen wird, welche die IT-Komponenten versorgen.
EReuse wird an der Übergabestelle gemessen, die die geringste Entfernung zur Quelle im Rechenzentrum aufweist . Bei Abwärmenutzung durch Wärmetauscher sollte die Wärmemenge verwendet werden, die dem Kreislauf der Abwärmenutzung übergeben wird.
Trotz der Integration von Abwärmenutzung bleibt die Kühlung der größte Verbraucher neben den IT-Geräten. Für einen nachhaltigen Betrieb müssen hier Anlagen zum Einsatz kommen, die einen hohen Wirkungsgrad haben, also mit der eingesetzten Energie eine möglichst große Wärmemenge abführen können.
4. Cooling Efficiency Ratio (CER)
Für den Wirkungsgrad der Kühlung wird mit dem Cooling Efficiency Ratio (CER) in der EN 50600-4-7 eine Kennzahl definiert, die die zuvor genutzte Jahresarbeitszahl ersetzt. Diese bringt die Menge der abgeführten Wärme in Beziehung zu der benötigten Kühlleistung. Der CER wird wie folgt berechnet:
CER = abgeführte Wärme (kWh) / Energieverbrauch der Kühlgeräte (kWh)
Welche Werte hier realistisch sind, lässt sich beispielsweise an den Vorgaben für eine RZ-Zertifizierung mit dem Blauen Engel ablesen. Für ein aktuell errichtetes Rechenzentrum muss dort der CER größer als 8 sein. Für ein älteres Rechenzentrum, welches spätestens zum 31.12.2014 in Betrieb genommen wurde, ist dort ein Wert größer als 5 vorgegeben.
Über die Energieeffizienz von IT-Geräten und Kühlung hinaus, sind möglichst geringe CO2-Emissionen ebenfalls ein entscheidender Baustein für den nachhaltigen Betrieb eines Rechenzentrums.
5. Carbon Usage Effectiveness (CUE)
Für die Effektivität der Vermeidung von CO2-Emissionen existiert die in der EN 50600-4-8 definierte Kennzahl Carbon Usage Effectiveness (CUE). Diese setzt die CO2-Emissionen in Beziehung zum Energieverbrauch der IT-Komponenten. Der CUE erfasst allerdings nur die direkten Scope-1-Emissionen. Der CUE wird wie folgt berechnet:
CUE (kgCO2eq/kWh) = CO2-Emissionen (kgCO2eq) / Energieverbrauch der IT-Komponenten (kWh)
Zur Berechnung des CUE werden die Emissionen des Rechenzentrums durch den Energieverbrauch der IT-Technik, genau wie bei der Power Usage Effectiveness (PUE), geteilt. Ein idealer CUE wäre 0.
Auch der Wasserverbrauch eines Rechenzentrums ist in Zeiten von Wasserknappheit in immer mehr Regionen auf der Welt ein Thema, welches bei Planung und Betrieb eines Rechenzentrums unbedingt berücksichtigt werden muss.
6. Water Usage Effectiveness (WUE)
Die Water Usage Effectiveness (WUE) ist eine in der EN 50600-4-9 definierte Kennzahl, die bezogen auf ein Jahr den Gesamtwasserverbrauch eines Rechenzentrums im Verhältnis zum Energieverbrauch der IT-Systeme abbildet. Ein idealer WUE liegt bei 0,0, was aber ein Rechenzentrum erfordert, welches bei der Kühlung komplett auf Frischwasserentnahme verzichtet. Der WUE wird folgendermaßen berechnet:
WUE (m³/kWh) = Gesamter Wasserverbrauch (m³) / IT-Energieverbrauch (kWh)
Wie wird der WUE gemessen?
Der Gesamtwasserverbrauch des Rechenzentrums wird bei Bezug des Wassers aus dem öffentlichen Wassernetz direkt am eingehenden Wasserzähler gemessen. Bei See- oder Flusswasser muss die genutzte Menge über die Ermittlung des Durchflusses in den Kühlanlagen oder Adiabatik-Modulen erfasst werden. Der Energieverbrauch der IT-Geräte steht aus der Ermittlung des PUE-Werts sowieso schon zur Verfügung.
Die bisher betrachteten Faktoren werden auch unmittelbar davon beeinflusst, welche Redundanzen im Rechenzentrum vorhanden sind. Somit sollte ein Vergleich von Rechenzentren idealerweise immer nur innerhalb einer Verfügbarkeitsklasse erfolgen.
7. Redundanzen der Stromversorgung und -verteilung nach EN 50600-2-2
Möchte man die Vergleichbarkeit der Effizienz von Rechenzentren über diese Kennzahlen hinaus weiter erhöhen, so sollten auch die in der EN 50600-2-2 für Stromversorgung und -verteilung geforderten Redundanzen für die unterschiedlichen Verfügbarkeitsklassen berücksichtigt werden. Schließlich wäre es wenig sinnvoll, die Stromversorgung und -verteilung eines Rechenzentrums der niedrigsten Verfügbarkeitsklasse 1 mit der eines Rechenzentrums der höchsten Verfügbarkeitsklasse 4 zu vergleichen, da für VK4 deutlich mehr Redundanzen erforderlich sind, was sich natürlich auch auf die Energieeffizienz auswirkt. Die Verfügbarkeitsklassen werden wie folgt definiert:
- VK1: geringe Verfügbarkeit ohne Redundanzen, Lastabschaltung zur Instandhaltung und bei Fehlern erforderlich
- VK2: mittlere Verfügbarkeit, wichtige Komponenten sind redundant ausgelegt und lassen sich im laufenden Betrieb warten, Lastabschaltung bei Fehlern und Wartungen von anderen Komponenten erforderlich
- VK3: hohe Verfügbarkeit, Pfade und wichtige Komponenten sind redundant ausgelegt, geplante Instandhaltungen können im laufenden Betrieb durchgeführt werden
- VK4: sehr hohe Verfügbarkeit, Pfade und alle Geräte sind redundant ausgelegt, geplante Instandhaltungen können im laufenden Betrieb durchgeführt werden, RZ ist im Normalbetrieb fehlertolerant
Die Unterschiede lassen sich gut anhand eines Vergleichs zwischen VK2 (N+1 Redundanz) und VK4 (2N Redundanz) darstellen. Wenn das VK2-Rechenzentrum zur Abdeckung der vorhandenen Last 4 USV-Anlagen betreibt, muss für die N+1 Redundanz nur eine weitere Anlage hinzugefügt werden. Benötigt das VK4-Rechenzentrum ebenfalls 4 USV-Anlagen, um die Last abzudecken, müssen für die 2N-Redundanz 4 weitere Anlagen hinzugefügt werden, die natürlich deutlich mehr Energie verbrauchen als eine. Da sich dies mit vielen weiteren Komponenten fortsetzt, ergeben sich hier bei gleicher IT-Last deutliche Unterschiede für die Verbräuche der IT- und Infrastrukturkomponenten.
Fazit
Mit dem in der EN 50600 vorgestellten Kennzahlensystem erhalten Betreiber wichtige Werkzeuge für den Vergleich von Rechenzentren hinsichtlich ihrer Energieeffizienz innerhalb Europas. Darüber hinaus hilft die EN 50600 Rechenzentrumsbetreibern bereits vor der Einführung einer Berichtspflicht durch gesetzliche Vorgaben wie die CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) der EU und die Energieeinsparverordnung (EnEV) sicherzustellen, dass alle Kennzahlen korrekt erfasst werden. Auch eine Zertifizierung des Rechenzentrums nach EN 50600 oder ISO/IEC 22237 ist durch zahlreiche Organisationen (z.B. TÜV-IT) möglich und gibt Kunden und Partnern die Sicherheit, dass ein RZ nach allgemein anerkannten Grundsätzen geplant wurde und im Betrieb sowohl Sicherheits- als auch Nachhaltigkeitsaspekte in vollem Umfang berücksichtigt werden.